Samstag, 17. Dezember 2011

Kunstzucker

Fürst Moritz, Sir Henry Tate, Cornelis van Joost und Max sitzen im Palast vor dem Mädchen mit dem Perlenohrgehänge im Haag zusammen.
Johann Moritz von Nassau-Siegen, "der Brasilianer" genannt, Sohn des Grafen Johann VII. von Nassau-Dillenburg und der Prinzessin Margaretha von Holstein-Sonderburg-Plön, Feldmarschall, General-Gouverneur der Besitzungen der Niederländisch-Westindien-Kompanie in Brasilien, dessen Motto ist: Qua patet orbis (Soweit der Erdkreis reicht) erobert an der afrikanischen Goldküste das portugiesische Fort El Mina, Zentrum eines Sklavenmarktes, baut in Brasilien die Zuckerindustrie durch Sklavenhandel und  
-arbeit wieder auf.
Mit den ungeheuren Gewinnspannen  aus dem Sklavenhandel - es war billiger, die Sklaven neu zu kaufen, anstatt sie richtig zu ernähren (wodurch viele verhungerten) - finanziert der Fürst sein nach ihm benanntes Palais, das Jacob van Campen, renommiertester niederländischer Architekt, entwirft.

Sir Henry Tate, Pfarrerssohn aus Lancashire, Lebenmittelhändler, Partner der Zuckerraffinerie John Wright & Co, die er später komplett kontrolliert und in Henry Tate & Sons umbenennt, kauft ein Zuckerwürfelpatent, wird dadurch schnell Millionär und Sammler zeitgenössischer Kunst, die er der Regierung vermacht unter der Bedingung, eine Galerie anstelle des alten Millbank-Gefängnisses zu errichten, wofür er  
£ 80.000 spendet.

Cornleis de Jong, studierter Landwirt aus Holland, aufgewachsen in der Nähe von Surabaya auf einer Zuckerplantage, baut Zuckerrüben bei Deventerden an; ihn hat Max im Crown Hotel in Southwold kennengelenrt.
Ob sich Sir Henry Tate und Fürst Moritz bei der Frage einig werden, ob die Zuckerherstellung nicht ohne Sklaven zu machen war, ist unbekannt (jedenfalls aber gab es vor Johann Moritzens Aufenthalt in Brasilien so gut wie keinen Sklavenhandel, zwischen 1636 und 1645 aber brachten die Holländer insgesamt mehr als 23.000 afrikanische Sklaven dorthin).
Und unser Max - unsichtbar - erzählt:
Bis zur  Sperrstunde  unterhielten  wir uns  an  diesem Abend in der Bar noch über den Auf- und Niedergang der beiden Nationen sowie über die eigenartig engen Beziehungen, die bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zwischen der Geschichte des Zuckers und der Geschichte der Kunst bestanden, weil die enormen Gewinne, die bei dem in der Hand weniger Familien liegenden Zuckerrohranbau und Zuckerhandel anfielen, lange Zeit hindurch, aufgrund der begrenzten anderweitigen Möglichkeiten einer sinnfälligen Demonstration des angehäuften Reichtums, zu einem beträchtlichen Teil verwendet wurden für die Errichtung, Ausstaffierung und Unterhaltung prachtvoller Landsitze und Stadtpaläste. Es war Cornelis de Jong, der mich hinwies darauf, daß viele bedeutende Museen wie das Mauritshuis im Haag oder die Londoner Tate Gallery auf Stiftungen von Zuckerdynastien zurückgehen oder sonst irgendwie mit dem Zuckergeschäft verbunden  sind. Das im   18.  und   19. Jahrhundert durch  verschiedene  Formen  der Sklavenwirtschaft akkumulierte Kapital, sagte de Jong, läuft nach wie vor um, trägt Zins um Zinseszins, vermehrt und vervielfacht sich und treibt aus eigener Kraft andauernd neue Blüten.  Eines der probatesten Mittel zur Legitimierung solchen Geldes ist von jeher die Förderung der Kunst, der Ankauf und das Zurschaustellen von Kunstgegenständen und, wie heute zu beobachten ist, das immer weiter fortschreitende, beinahe schon lachhafte Höhertreiben der Preise auf den großen Auktionen, sagte de Jong. Die Hundertmillionengrenze für einen halben Quadratmeter bemalter Leinwand wird in wenigen Jahren überschritten sein. Manchmal, sagte de Jong, kommt es mir vor, als wären sämtliche Kunstwerke von einer Zuckerlasur überzogen oder überhaupt ganz aus Zucker, so wie das von einem Wiener Hofzuckerbäcker gefertigte Modell der Schlacht von Esztergom, das die Kaiserin Maria Theresia in einem furchtbaren Schwermutsanfall angeblich aufgegessen hat mit Stumpf und Stiel. 

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Max und Susi

Dafür sind wir nach Manchester geflogen.
Der Alte trägt auch Brille, hat die Stellungen von beiden genau angewiesen.
Max sitzt beim Optiker in der Stanley Street auf dem Stuhl, Susi beugt sich über ihn.
Draußen auf dem Fluss zieht das Containerschiff  unter der Elfenbeinküstenflagge vorbei.
Das Atelier von Ferber haben wir vergeblich gesucht, Mrs. Irlam in der Ferndene Road haben wir gefunden, das Arosa-Hotel ist 1998 abgerissen worden.
Über Augenkrankheiten und Augen hat Sebald ja viel geschrieben, ich glaube, die lesen einfach zu viel. 







Ich befand mich damals gerade in einiger Unruhe, weil ich beim Heraussuchen einer Anschrift in einem Telephonbuch bemerkt hatte, daß, sozusagen über Nacht, die Sehkraft meines rechten Auges fast gänzlich verschwunden war. Die mir bis ins einzelne vertrauten Figuren und Landschaften hatten sich aufgelöst, unterschiedslos, in eine bedrohliche schwarze Schraffur. Ich ängstigte mich um die Fortführung meiner Arbeit, war aber zugleich erfüllt, wenn ich so sagen darf, von einer Vision der Erlösung, in der ich mich, befreit von dem ewigen Schreiben- und Lesenmüssen, in einem Korbsessel in einem Garten sitzen sah, umgeben von einer konturlosen, nur an ihren schwachen Farben noch zu erkennenden Welt.

Nicht selten nahm er dabei auch sein Sacktuch heraus und biß, vor Zorn über unsere, wie er vielleicht nicht zu Unrecht meinte, vorsätzliche Dummheit, in es hinein. Regelmäßig tat er nach solchen Rappeln seine Brille herunter, blieb blind und wehrlos mitten in der Klasse stehen, hauchte auf die Linsen und putzte sie so hingebungsvoll, als sei er froh, uns eine Zeitlang nicht sehen  zu müssen.




Ich erinnere mich beispielsweise, vor Jahren einmal in der verdunkelten Konsultationskammer eines Optikergeschäftes in Manchester gesessen zu sein und meinen Blick durch die Linsen dieser seltsamen Testbrille auf das manchmal klarere, manchmal ganz und gar undeutlich gewordene Buch­stabenfeld in dem Leuchtkasten mir gegenüber gerichtet zu haben. Neben mir stand eine chinesische Optikerin, die, wie ein kleines Schildchen an ihrem Berufskittel anzeigte, wunderbarerweise Susi Ahoi hieß. Sie war äußerst wortkarg, doch jedesmal, wenn sie sich zu mir herneigte, um die Linsen auszuwechseln, spürte ich die kühle, von ihr ausgehende Fürsorglich­keit. Wiederholt rückte sie das schwere Brillengestell zurecht, und einmal rührte sie sogar, viel länger, wie ich mir einbildete, als nötig gewesen wäre, mit ihren Fingerkuppen an meine wie so oft vor Schmerz klopfenden Schläfen, wenn auch wahrscheinlich bloß, um mir den Kopf etwas besser auszurichten. 

Jahrestage und Zahlen,
wie lang ist das alles her,
ein Buchstabenfeld, kaum
zu entziffern durch die gläsernen
Linsen. Eigentlich, hör ich
die kleine chinesische
Optikerin sagen, eigentlich
müßten Sie das jetzt leicht
lesen können, und einen Augenblick
lang spür ich ihre Fingerkuppen
an meinen Schläfen, spüre,
wie eine Welle mein Herz
durchquert, und seh in dem hellen
Geviert des Testbilds
aneinandergereiht die Lettern
YAMOUSSOUKRO, den Namen,
ich weiß es genau, eines
großen rostigen Schiffs
aus Abidjan, das ich vor Jahren
einmal auslaufen sah
aus dem Hamburger Hafen.
Schwarze Matrosen standen
an die Reling gelehnt.
Sie winkten im Vorbeifahrn
herüber, die Sonne ging eben
unter, und die Schatten
zitterten schon
an den Rändern.














Er hat­te, in meiner Vorstellung, die Brille abgenommen und zur Seite in den Schotter gelegt. Die glän­zenden Stahlbänder, die Querbalken der Schwel­len, das Fichtenwäldchen an der Altstädter Steige und der ihm so vertraute Gebirgsbogen waren vor seinen kurzsichtigen Augen verschwommen und ausgelöscht in der Dämmerung. Zuletzt, als das schlagende Geräusch sich näherte, sah er nur mehr ein dunkel Grau, mitten darin aber, gesto­chen scharf, das schneeweiße Nachbild des Krat­zers, der Trettach und des Himmelsschrofens.





Samstag, 10. Dezember 2011

Rembrandt

Zur Zeit haben wir sehr viel Stress mit der Vorbereitung des Rembrandtzimmers, weil dieser - ich habe mir damals vor zwei Jahren seine Ausstellung in Augsburg angeschaut - voll cool - Plastinator so einen Haufen Geld für die Leiche vom Adrianszoon will, wofür unser Etat nicht ausreicht.
Vielleicht finden wir einen Sponsor, ich denke immer, man müsste mal in China nachfragen, die haben doch jetzt Medion gekauft und - ich habe mein Laptop dort gekauft - die sollen was spenden...
Das MUSEBALDÆUM clausum ist so was ähnliches wie Madam Tüsso...
Man kann entweder schreiben  SUM-SEBALD-AMUSED oder M-USEB-AL-DÆ-UM oder 
MUSE-BALDÆ-UM, mir persönlich am besten gefällt MU-  SEBALD  -ÆUM. (Weitere Schreibweisen finden sich im Tlön-Zimmer, siehe dort).






Eine website, sagt der Alte, brauchen wir nicht, sind ohnehin in den Wolken...





Das steht heute in BILD, passend zu Dr. Tulp:
In Brasilien haben Polizisten bei einem 
Drogenkurier Röntgenaufnahmen gemacht: 89 Kapseln Kokain im Bauch: 
Wert mehr als 330 000 Euro!








In Kürze mehr!


Ihr J. Ph. F.