Mittwoch, 8. Februar 2012

Austerlitz wohnt da nicht



Mit dem Alten in Prag, wollte unbedingt die Sporkova 12 suchen wo Austerlitz' Mutter gewohnt hat. Kann fast nicht sein, dort ist ein Kloster.

Im Austerlitz - ich habs jetzt nochmal nachgeschaut - steht gar nichts drin, was der Junge fühlt, als er erfährt, nicht Dafydd Elias zu sein. Sebald erzählt nur breit was von dem Namen Austerlitz und Fred Astair, seltsam.








Haben Sie schon mal einen dreiteiligen Schrank alleine zusammengebaut? Alles geht, aber dann oben der Deckel!

Furchtbar.
Der Herr Direktor sagt immer, keine Schraube wegschmeißen, man weiß nie, wie man sie noch braucht!




Das ist die Auswahl der Schrauben, wie wir haben.

Neulich der Wasserzulauf zur Spülung im Damen-WC undicht. Es tropfte monatelang, ohne dass man etwas sah, in den Schacht und hat die Wände bis in den Keller durchfeuchtet. Jetzt laufen in jedem Stock Trocknungsgebläse, die dann die Feuchtigkeit aus der Luft filtern. Höllenlärm, Besucher beschweren sich schon. Ich muss es immer erklären. Der Alte sagt: Zahlt alles die Versicherung.
Für nächsten Dienstag hat sich eine Gruppe aus Norwich angemeldet. Ich muss das Bild, das der Tripp in der Plag.-Galerie gemalt hat, aufpolieren, mit Firnis. Auf den Tripp ist der Alte nicht gut zu sprechen. Er wollte von ihm auch gemalt werden, der Tripp hat aber abgelehnt. Den Bürgermeister von Schwäbisch Hall habe er auch porträtiert.
Ich sage immer: Da können Sie sich auch fotografieren lassen. "Das ist nicht dasselbe. Außerdem verstehen Sie davon nichts, Uqbar!"

Zur Zeit lese ich in meiner Ecke Der Hass auf den Westen. Da berichtet eine Frau über die Briten, was die mit den indischen Webern gemacht haben. Um die indische Textilindustrie zu zerstören und ihr eigenes Monopol durchzusetzen, haben sie den Webern - Männern, Frauen und Kindern - die Finger gebrochen ... 

Ein Asylant erzählte mir:
Bei uns in Sri Lanka haben die Engländer, als sie kamen, hunderttausende Hektar bestellten Lands, auf dem unsere Bauern arbeiteten und lebten, zu waste Lands — herrenlosem Ödland - erklärt. Die Bauern wurden verjagt. Hunderttausende von Dorfbewohnern sind verhungert. Auf den Massengräbern, die mit den Leichen unserer Bauern gefüllt waren, haben die Engländer ihre Teeplantagen angelegt.
Das hätte mal der lesen sollen, der das Lieblingsbuch vom Direktor aufgeschrieben hat. Er hat es mir aufgezwungen, es war ganz schön langweilig, verstanden habe ich nicht viel. Dort steht über die tollen britisch-hugenottischen Weber:

Bis zum Niedergang der Norwicher Manufaktur gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts lagen diese Musterkataloge, deren Seiten mir immer als Blätter aus dem einzig wahren, von keinem unserer Text- und Bildwerke auch nur annähernd erreichten Buch erschienen sind, in den Kontoren der Importeure überall in Europa, von Riga bis Rotterdam, von St. Petersburg bis Sevilla. Und die Stoffe selber gelangten von Norwich aus auf die Warenmessen von Kopenhagen, Leipzig und Zürich und von dort in die Lager der Grossisten und Handelshäuser, und das eine oder andere halbseidene Hochzeitstuch vielleicht gar in der Buckelkraxe eines jüdischen Hausierers bis nach Isny, Weingarten oder Wangen.


In dem Stil ist das ganze Buch!
Am besten hat mir noch die Geschichte gefallen von dem Übersetzer, der mit Zylinder und weißer Federboa auf die Nordsee (deutscher Ozean!) hinausgefahren ist.
Wir sind ja auch letzten Sommer rund Schottland von Bellanoch aus gesegelt. Unser Skipper hat eine interessante Route gewählt und mir haben die Leute und das leere Land sehr gut gefallen. Ich muss mal ein paar Bilder raussuchen.




Wetter Hebriden: Wind NW 3, Regen, 7° (Golfstrom!) 










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Hereinspaziert



Treten Sie ein in unser Kabinett, Billets sind die Buttons!
Interessiert Sie Nutz- und Ziergartenbau, oder die von den Propheten und heiligen Evangelisten erwähnten Pflanzen, die Insel Island oder Guam oder Gunma mit Takasaki und Annaka? Die vogelfressende Boiga irregularis lebt sich gut in der Südsee. In Gunma hat es 4°C, die Sonne, mailt mir Hoang-ti, wird gleich aufgehen, aber nicht zu sehen sein: Grau bewölkt ist der Himmel und bald wird es regnen. In Guam dasselbe, nur hat es dort 29°C und es weht ein Wind von 2 bis 3kn. Die Schlange freut sich, dass die Blätter rascheln und ihre Opfer sie nicht hören können. Tillettes ist schon gebissen worden, er war im Truppenlazarett.
Oder wollen Sie die altsächsische Sprache lernen, die Antworten des Delphischen Orakels hören, die von unserem Erlöser gegessenen Fische sehen?
Treten Sie ein, kommen Sie näher!
Demonstriert wird auch ein Fall von Altersfresssucht.
Lesen Sie den Briefwechsel zwischen Molinea von Sedan und Maria Schurman von Utrecht, falls Sie Hebräisch tlönen. Schauen Sie in die Täler des Meeresgrundes auf Algen, Korallen und Wasserfarne, von niemandem bisher in Augenschein genommene, von warmen Strömungen durchwogte Stauden und mit den Passatwinden von Kontinent zu Kontinent treibende Pflanzeninseln. Entdecken Sie Ovids verschollenes Poem, geschrieben auf Getick. Sie besuchen den Markt von Almachera in Arabien bei Nacht wegen der großen Hitze, und im Hof reitet vorbei Solyman zur Belagerung von Wien.


Falls Sie Kinder begleiten, muss ich warnen vor den Foltermethoden und Galgenfesten im 4. Stock und der Schilderung Thomas Minadoris vom Schnitt zwischen die Schulterblätter, mit dem das Abziehen der Haut bei lebendigem Leib beginnt.
Wir bewahren Medaillen und Münzen und den Edelstein aus dem Kopf eines Geiers, ein Kreuz aus dem Schädelknochen eines Frosches, Skorbutpulver, Extrakt von Cachundè und die Stöcke der Mönche auf, wo sie die Eier der Seidenraupe versteckten.
Montags ist das Kabinett wie alle Ausstellungen weltweit geschlossen.
Wir stauben ab.
Der Direktor kränkelt.
Frau Si-ling-chi wird donnerstags erwartet.



Dienstag, 7. Februar 2012

Tlöntlötlön

Hilda, Tatjana, Erna und Xenien

Als ich die Abordnung aus Bargfeldt durch die Galerie der Nobelpreisträger für Plagiaterie führte, gab es bei einem Gemälde Ärger:
Die Delegation, insbesondere eine ganz impertinente weibliche Person, wollte nicht einsehen, dass das Hinterlassen von Blumen ausdrücklich untersagt ist. Ich vermied dann weitere Auseinandersatzungen und entfernte nach Torschluß ihre Rose von Jericho vom Arno-Schmidt-Porträt. Dass die Leute nicht tlönen können...
Der Alte fragte mich anläßlich der Meldung des Vorfalls, seine Frau habe beim Waschen seine rein-weiße Radfahrunterhose rosa verfärbt, was er nun anziehen solle? [Des king ! s neue Kleider]





Wetter in der Lüneburger Heide: -4° bewölkt.
Dass sie mit Wieland und den armen zu Stolberg-Stolbergs gar so hart ins Gericht gehen mussten?



Montag, 6. Februar 2012

Brief aus Belgien

Auf dem Schreibtisch vom Alten habe ich den Brief gefunden -
ich setzte ein paar Zitate hier rein, weil er sich mit Sebald als Fälscher beschäftigt, ein Thema, das den Alten sehr bewegt, (Namen streiche ich).



Sehr geehrter Herr Kollege Prof.---
In Ihrem "MUSE-BALDÆUM clausum", das mir übrigens teilweise bizarr, exzentrisch und verschroben erscheint (dennoch schaue ich hin und wieder rein)- finden sich Hinweise auf Fälschungsvorwürfe an den großen W.G.Sebald.
Ich darf Ihnen hierzu kurz meine Meinung darlegen, ohne belehrend wirken zu wollen.
Was offensichtlich vielen Lesern und Literaturwissenschaftlern entgeht:
Sebald selbst thematisiert den Betrug. Sie kennen sicher die Stelle in den 'Ausgewanderten',wo Max Aurach (oder Ferber)berichtet, wie sein von den Nazis aus dem Schuldienst entlassener Onkel Leo eine Fotografie der Bücherverbrennung auf dem Würzburger Residenzplatz als Fälschung entlarvt:

Der Onkel bezeichnete diese Fotografie als eine Fälschung. Die Bücherverbrennung, so sagte er, habe in den Abendstunden des 10. Mai – das wiederholte er mehrmals –, in den Abendstunden des 10. Mai habe die Bücherverbrennung stattgefunden, und weil man aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits herrschenden Dunkelheit keine brauchbaren Fotografien habe machen können, sei man, so behauptete der Onkel, kurzerhand hergegangen und habe in das Bild irgendeiner anderen Ansammlung vor der Residenz eine mächtige Rauchfahne und einen tiefschwarzen Nachthimmel hineinkopiert. Das in der Zeitung veröffentlichte fotografische Dokument sei somit eine Fälschung.
Sebald schreibt, er habe das betreffende Foto auftreiben können und es sei zweifelsohne eine Fälschung – das soll der Leser am abgedruckten Bild nachvollziehen.
Damit legt Sebald doch seine eigene Technik bloß. Er verfälscht Geschichte, indem er Fotos oder Fragmente aus authentischen Biographien anderer Leute in die seiner Protagonisten einmontiert. Bei allgemein fiktiver Literatur ist das selbstredend zulässig, Sebald will uns veranlassen, seine Texte genau zu lesen: Wir sollen neben den historisch-biographischen Fakten auch die Wahrhaftigkeit seiner Texte prüfen. 
An anderer Stelle schildert der die mühevolle Arbeit (von der er erst glaubt, das Ziel sei Staubproduktion) des Porträtisten  Aurauch: Im Ergebnis verfehlt auch er immer wieder das Darzustellende, aber die Gesichter geistern im zerschundenen Papier dann doch irgendwie herum.


Das aber ist meine Quintessenz, die uns Leser davor bewahrt, das Andere ein für allemal fixiert zu wähnen.


Erwähnenswert ist vielleicht noch der "Fall Wilkomirski". Ein Bruno Dösseker hat 1993 unter seinem angeblich wahren Namen Binjamin Wilkomirski seine angeblich gerade erst zurückgewonnenen Kindheitserinnerungen an Auschwitz veröffentlicht(und war dafür als genuine neue Stimme in der Holocaust-Literatur gefeiert worden).Ein Journalist wies nach, dass es sich um fingiertes Machwerk handelt.
Man könnte vermuten, dass Sebald sich von diesem Fall zu "Austerlitz" hat inspirieren lassen.
Mein Kollege, der Antwerpener Literaturwissenschaftler Geert Lernout, hält Sebald für einen gefährlichen Schriftsteller. 
Schon 1995 meldet er zu den "Ringen des Saturn" in bestimmten 'belgischen' Passagen Bedenken an (In einem ausführlichen 
Exkurs zu den belgischen Greueltaten im Kongo unter Leopold II. erinnert sich Sebald daran, wie ihm bei seinem ersten Besuch 
in Brüssel mehr Bucklige und Irre über den Weg gelaufen sind als sonst in einem ganzen Jahr – für Lernout haarsträubender Unsinn).
Und vor "Austerlitz" warnt er. Es handle sich zwar um ein außerordentlich gut geschriebenes,aber zutiefst verfehltes Buch. Die Verwischung der Grenzen zwischen Fiktivem und Fakten in der Darstellung der Shoah – bei Willkomirski böswillig oder pathologisch - als künststlerisches Prinzip sei betrügerisch und arbeite den Negationisten zu. 


Mir erscheint die Feststellung wichtig, dass es Sebald um die Zuverlässigkeit und die Bedeutung von Erinnerung geht und dass er die Möglichkeit des 'Betrugs', wie oben dargelegt, bei der Vermischung von Fiktion und Fakt nicht zu verschleiern sucht.Im übrigen hat er nirgends die Shoah dargestellt. 
Dabei soll es vorerst sein Bewenden haben, wenn ich auch noch eine Vielzahl anderer Belege, besonders in den "Ausgewanderten" - aber auch aus jedem anderen sebaldschem Werk beibringen könnnte.


Ich verbleibe in der Hoffnung, zur Klarstellung des Themenkomplexes 'Erinnern' in W. G. Sebalds Werk
einen kleinen Anteil beigesteuert zu haben.


Mit kollegialen Grüßen


Ihr ----.----

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Bei der Gelegenheit fällt mir ein: Von Guttenberg habe ich heute gelesen, er will nicht in die Politik zurück.
Der Alte sagt immer: Wenn Sebald mit seinen Büchern hätte den Doktor machen wollen, da hätten die ihm aber Zitate ohne Ende - auf jeder Seite 10 mindestens - um die Ohren gehauen, und wo Jaffi, wo bitte schön, hat er ein einziges Mal referenziert? 
[Das Wort gibts nicht, er meint sicher: hat Sebald jemals seine Fundstelle angegeben? Habs doch gefunden, aber nicht verstanden: Wenn ich sage "Schaf", dann ist das ein Wort, das irgendein Schaf referenziert, aber das Wort ist nicht das Schaf selbst.]



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Sonntag, 5. Februar 2012

Korsika-Trip

Die Rundreise habe ich fertig, der Alte erwägt, seine Familie mitzunehmen.
Wir werden die Fähre von Livorno nach Porto Vecchio nehmen, dann weiter mit der Fähre nach Ajaccio, auf dem Landweg dann nach Calvi und mit der Fähre zurück nach Genua.
1. Porto Vecchio: Hier suchen wir die alte Schule von Madam Séraphine Aquiva, Foto vom Hoftor
Street-View ist super, da kannst du glatt durch ganz Korsika brausen 
2. Ajaccio: Wir gehen über die Place Maréchal-Foch 


zum Musée Fesch, 


setzen uns auf die Place Letizia, besuchen die Casa Bonaparte, gehen über den Cours Napoléon zum Gare Maritime 


und fahren mit dem Auto nach Piana.
3. Piana: Wir baden in der Bucht von Ficajola 


wandern im Schweiße unseres Angesicht wieder den Berg hinauf, besuchen den 



Friedhof, 
fahren nach Evisa und machen Wanderungen im la Foret d'Aitone, 


schauen von Evisa in die 




Gorge de Spelunca
hinunter, fahren dann weiter nach 


Porto und machen eine Schiffsrundfahrt zu den Calanches.

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Für die Zerknirschung der Herzen habe ich Sonderauftrag bekommen - nach kurzer Überlegung ja gesagt, aber nur als Überstunden, ist unerschöpfliches Material! Der Alte war einverstanden.(Er selbst ist grade am Conrad-Casement-Projekt dran und ganz versunken in sein neues Buch 


Dabei fällt mir ein: Conrad war auch mal in Korsika, hat da irgendeinen alten Piratenfreund aus seiner Jugend gesucht, ob Sebald da drüber geschrieben hat, ist mir im Moment nicht bewußt, ich frag mal den Alten ...






Und das Piratenspiel ist wirklich nur eine Frage der Pyschologie:
Man muss sich in den anderen Käptn reinversetzen und schon weißt du, wo er seine Schifflein parkt - mit wenigen Kanonenschlägen im Meer verschwunden! Ganz hart ist ja, wenn - wie geschehen, man mit dem ersten Treffen den Einer versenkt!


Jaffi

Samstag, 4. Februar 2012

Prostitutions-ABC Blazacs 3

Verzeichnis 3) 


Salznapf aus den Werkstätten des Benvenuto Cellini






Kind aus Wachs, aus dem Kabinett von Ruysch
Poesie des Lara (Lord Byron)














Einige Teniers
Jan van  Mieris


Schlacht von Salvator Rosa


Zeichnung von Jean Goujou


Gemälde von Poussin


Statue von Michelangelo


Entzückende Landschaften von Claude Lorrain


ein Gérard Dou


Rembrandts


Murillos


Velasquez'


Madonna von Raffael


Figur von Corregio


Braut die Seele, die in ihrer Veränderlichkeit der modernen Chemie gleicht, welche die Schöpfung von einem Gas ableitet, durch die rasche Konzentration ihrer Genüsse, ihrer Kräfte oder ihrer Ideen nicht schreckliche Gifte? Sterben viele Menschen nicht an einer moralischen Säure, die sich plötzlich über ihr Inneres ergießt?

In der Aufzeichnung eines Fernsehinterviews, das Chatwin nicht lange vor seinem Ende gegeben hat, er­blicken wir ihn, abgemagert bereits bis auf die sprichwört­lichen Knochen und mit weit, grausig weit aufgerissenen Augen, wie er mit einer unschuldigen Passioniertheit son­dergleichen erzählt von seiner letzten erfundenen Figur, dem Prager Porzellansammler Utz. Es ist dies die er­schütterndste Epiphanie einer Schriftstellerperson, die ich kenne. 

(Das Geheinmis des rotbraunen Fells)