Mittwoch, 25. Januar 2012

W. G. Sebald Nach der Natur Beamer 1

Die ersten Entwürfe für die Beamer-Präsentation sind fertig, sie richten sich am
Lindenhardter Altar und dem Elementargedicht-Triptychon aus.
Der Grundrahmen:
Außen in den Flügeln und im Zentrum wechselnde Themen, wie die Jugend Grünewalds in der Mitte die 2. Kamtschatka-Expedition, wohl überhaupt die größte ihrer Art ...
Ein Beispiel: 
Dann kommen Texte dazu - und dann passiert mir, was der Alte immer  "sebaldsche Koninzidenz" nennt. Ich gehe mit meiner Tochter, die Konfirmandenunterricht hat, in die Kirche an unserem Ort, und was verteilt der Pfarrer und worüber predigt er? Das da:



Der Wald weicht zurück, wahrlich,
in solcher Weite, daß man nicht kennt,
wo er einmal gelegen, und das Eishaus
geht auf, und der Reif zeichnet ins Feld
ein farbloses Bild der Erde.
So wird, wenn der Sehnerv
zerreißt, im stillen Luftraum
es weiß wie der Schnee
auf den Alpen.

Dabei
übte er sich ein in das Ertragen
der Bitternis und der Einsamkeit,
denn die Bäckerstochter,
die er aufgrund seiner Hoffnung,
daß man vielleicht auch in der Ferne
zuhause sein könne, und aufgrund
ihres, wie es schien, bedingungslosen
Versprechens, mit ihm überallhin
fahren zu wollen, geehelicht hatte,
war, naturgemäß, zuletzt doch nicht willens gewesen,
die Reise um die halbe Kugel der Welt
mit ihm zu machen. Statt ihrer
hatte Steller jetzt zwei
junge Raben, die ihm des Abends
ominöse Sprüche diktierten.
Wenn er sie aufschrieb,
war er beruhigt, obgleich er wußte,
daß er auch damit den langsamen Fraß
in seiner Seele nicht
würde aufhalten können.

Als Trost bleibt
das Unglück anderer Leute
giftgclb am Hut der Geliebten
und war doch früher so schön.
Prosa aus dem letzten Jahrhundert,
ein Kleid, das sich in den Disteln
verfing, ein bißchen Blut, eine
Exaltation, ein zerrissener Brief,
ein Uniformsternchen und längere
Aufenthalte am Eenster. Ungute
Phantasien in einer dunklen
Kammer, nachgetragene Sünden,
ja Thränen sogar und im Gedächtnis
der Fische ein sterbendes Feuer,
Emma, wie sie den Hochzeitsstrauß
verbrennt. Was soll da ein armer
Landarzt sich denken? Beim Leichenbegängnis
träumt er von einem glänzenden Paar
Lackstiefeln und einer posthumen
Verführung. Jetzt aber kommt
eine farblose Zeit.
Wir blicken
über die Schlacht hin und sehen,
von Norden nach Süden schauend,
sehn wir ein Lager mit weißen 
persischen Zelten im Abendglanz liegen 
und eine Stadt an der Küste. 
Draußen mit geschwellten Segeln 
fahren die Schiffe, und die Schatten
rühren bereits an Zypern, und jenseits 
dehnt das Festland Ägyptens sich aus. 
Das Nildelta ist zu erkennen, 
die Halbinsel Sinai, das rote Meer 
und weiter noch in der Ferne 
das im schwindenden Licht sich 
auftürmende Schnee- und Eisgebirge 
des fremden, unerforschten und 
afrikanischen Kontinents.

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Richtig traurig ist der Alte geworden beim Einscannen der Texte.
Er hatte unter die letzten Zeilen in sein Taschenbuch mit Bleistift geschrieben 
Lüneburg 27.6.02 22-02
"Da war Sebald schon ein halbes Jahr tot, wie gern hätte ich ihn einmal persönlich
gehört und gesehen. 
Es war das Erste, was ich von ihm las und wusste sofort:
Da ist ein ganz Großer am Werk ..." 








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